Echtzeitvernetztes Fahren mit Mobile Edge Computing

Für die Szenarien der Mobilität von morgen spielt die Kommunikation zwischen Verkehrsteilnehmern, Verkehrsinfrastruktur und Rechenzentren eine zentrale Rolle. Deshalb untersuchen viele Forschungsprojekte und Feldtests zur Zeit verschiedene Kommunikationstechnologien auf ihre Eignung für Verkehrsszenarien. Lokaler Informationsaustausch basierend auf IEEE 802.11p (US) und ETSI ITS-G5 (Europa) steht, dank umfassender Netzwerkprotokoll- und Nachrichtenstandardisierung, in den nächsten Jahren vor seiner Markteinführung. Der Vorteil dieser Technologie, die sehr niedrige Nachrichtenlatenz, kann ohne zusätzliche Kommunikationsinfrastruktur für Reichweiten im Kilometerbereich erreicht werden. Hinzu kommen Mobilfunkdienste wie 3GPP Long Term Evolution (LTE). Diese Technologie erfährt aktuell hohe Aufmerksamkeit durch stark steigende Netzabdeckung, günstige Endgeräte und durchgängige Verbindung zu Cloud- und Backend-Diensten.

Bessere Konnektivität für Verkehrssicherheitsanwendungen

Im Car2MEC-Projekt entwickelt das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS (früher: Fraunhofer ESK) zusammen mit Continental Automotive, der Deutschen Telekom, Mieschke Hofmann und Partner sowie Nokia Konzepte für eine verbesserte Konnektivität. Und das speziell für Verkehrssicherheitsanwendungen, bei denen Latenz eine kritische Rolle spielt. Dabei werden zwei komplementäre Ansätze kombiniert:

  • lokale Nachrichtenverteilung basierend auf Mobile Edge Computing (MEC) zur Reduktion der Nachrichtenlatenz bei Nahbereichskommunikation in zellulären Netzwerken und
  • adaptiver Einsatz heterogener Kommunikationstechnologien zur Kombination der Stärken von ad-hoc und infrastrukturbasierter Kommunikation. Dies geschieht u.a. in Abhängigkeit von Netzwerkverfügbarkeit, Auslastung und Anforderungen der jeweiligen Anwendung.

Mobile Edge Computing (MEC) für zuverlässige Car2X-Kommunikation

Schema für zuverlässige Car2X-Kommunikation
© Fraunhofer IKS
Zuverlässige Car2X-Kommunikation mit Mobile Edge Computing und heterogener Vernetzung

Ereignisdetektion und Informationsaustausch in Echtzeit

Mobile Edge Computing (MEC) ist ein standardisiertes Konzept, das flexible Rechenressourcen in unmittelbarer Nähe zu den mobilen Nutzern bereitstellt. Dazu werden die zellulären Basisstationen (eNBs) mit IT-Infrastruktur, sogenannten Cloudlets, erweitert. Dadurch können zusätzlich zu den klassischen In-vehicle- und Cloud-Funktionen auch Berechnungen auf den verteilten Cloudlets direkt an der Straße ausgeführt werden. Die Folge: eine geringere Kommunikationslatenz, was wiederum neue Applikationen ermöglicht, die auf echtzeitfähiger Aggregation und Korrelation lokaler Datenquellen basieren.

Heutige Mobilfunknetze und Backend-Dienste unterliegen Verzögerungen von 100ms und mehr. Im Gegensatz dazu haben das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS (früher: Fraunhofer ESK) und seine Projektpartner bereits auf ETSI ITS und LTE basierende Verkehrssicherheits-Anwendungen gezeigt, die Ende-zu-Ende-Latenzzeiten von unter 20 ms erreichen. Das vorgestellte System wird im Car2MEC-Projekt zu einem skalierbaren verteilten Geographic Messaging Service (GMS) erweitert. Der GMS ermöglicht die lokale Nachrichtenverteilung mit minimaler Latenz und ist gleichzeitig das Verbindungsstück zu existierenden Cloud- und Backend-Diensten. In Kombination mit MEC können die Informationen vom GMS außerdem aggregiert und ausgewertet werden. Im nächsten Schritt steht dann eine automatische Ereignisdetektion mit echtzeitfähiger Benachrichtigung der betroffenen Verkehrsteilnehmer zur Verfügung.

Adaptive heterogene Konnektivität

Heutige zelluläre Netzwerke sind nicht darauf ausgelegt, Millionen von Autos, die kurze Nachrichten mit hoher Frequenz austauschen, zu unterstützen. Ferner ist Kommunikation außerhalb des abgedeckten Netzbereichs nicht möglich. Um diese Hürden zu umgehen, sieht das Car2MEC-Projekt vor, ad-hoc Kommunikation via ITS-G5 zur Unterstützung von Mobilfunkdiensten einzusetzen. Dies ist besonders wichtig in Szenarien mit hoher Verkehrsdichte, oder wenn hohe Informations-Update-Raten von der Applikation benötigt werden (etwa für automatisiertes Platooning). Die Auswahl der besten Technologie hängt nicht nur von den Anforderungen der Anwendung ab, sondern auch von der Verfügbarkeit der Infrastruktur, der Anzahl potenzieller Kommunikationspartner in Reichweite sowie der momentanen Auslastung des Funkkanals. Das Fraunhofer IKS erforscht Algorithmen zur Auswahl optimaler Pfade zur Verteilung von Informationen, die all diese Faktoren in Betracht ziehen.

Aus dem Labor auf die A9

Die im Projekt entwickelten Konzepte werden mit realen Prototypen in einem kommerziellen zellulären Netzwerk, das an der Autobahn A9 verläuft, validiert. Die Realisierbarkeit wird somit nicht nur durch simulierte Studien untermauert, sondern auch im echten Straßenverkehr gezeigt. Die verschiedenen Feldtests im Rahmen des Projekts liefern solide praktische Erfahrungen und Messwerte, die als Rückmeldung in die fortlaufende Optimierung der Simulationsmodelle einfließen. Zum Simulieren sowie zur Prototypenentwicklung setzt Fraunhofer IKS (früher:  Fraunhofer ESK) sein ezCar2X®-Software Framework ein, welches sowohl standardisierte ETSI ITS Protokolle als auch anwendungsspezifische Erweiterungen unterstützt.

Das Projekt wird gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie.